Erschien 2013 als Zahltag — Thriller
Leseprobe:
Spannender
Psychothriller um die unendliche Liebe zu einem Kind und die Folgen einer
Verzweiflungstat.
Was würdest
du tun?
Wie weit
würdest du gehen?
Würdest du
für dein Kind töten?
Oder hast du
es bereits getan?
Diese Fragen
muss sich Wolfgang Moser stellen, als sein Leben eine dramatische Wendung nimmt
und seine Vergangenheit ihn einholt.
Wolfgangs
Leben verändert sich radikal, als sein 14-jähriger Sohn Alexander nicht mehr
nach Hause kommt. Es vergeht ein Jahr und Alexander bleibt verschwunden. Seine
Frau zerbricht daran und nimmt sich das Leben. Und dann kommt eine Nachricht …
Moldawien — Februar 2002
Es schneite
fürchterlich und war eiskalt. Mila, Yelena und Vitali saßen eng aneinander
gekuschelt in einem leer stehenden Gebäude. Nur Mila hatte Handschuhe an, in
denen auch die Hände von Yelena steckten. Seit vier Tagen war es nun schon so
schrecklich kalt. Der Wind pfiff durch die eingeschlagenen Fensterscheiben.
Keiner sprach ein Wort. Sie zitterten, ihre Lippen waren blau angelaufen und
die Gelenke fühlten sich steif an. Seit Tagen hatten sie keinen Menschen mehr
auf den Straßen gesehen. Niemand gab ihnen etwas zu essen, denn die meisten
mussten selber Hunger leiden. In dieser Zeit waren weder Touristen in der Stadt
Kischinau noch ehrenamtliche Helfer. Mehrmals die Woche kamen normalerweise die
Mitarbeiter der verschiedenen Hilfsorganisation, doch in dieser Woche war noch
kein Wagen zu sehen gewesen. Auch das schwarze Auto war nicht mehr gekommen —
das war gut. Olav wurde letzte Woche geholt, davor war es Elena. Angst ging um,
unter den Straßenkindern. Doch niemand wollte in das Heim zurück. Es war
ohnehin überfüllt. Sie würden nur wieder Prügel kassieren und das wollte
keiner. Jetzt im Winter war es hart, keine Eltern zu haben. Na ja, eigentlich
hatten sie ja alle Eltern. Sie waren nicht tot, sie waren weggegangen. Schon
vor Jahren. Milas Mutter wollte sie nachholen, doch sie kam nicht. Irgendwann
holte man Mila von ihrer Großmutter ab und sie wurde in ein Kinderheim hier in
Kischinau gebracht. Kein Jahr hielt sie es dort aus. Jetzt aber war sie noch
tiefer gesunken. Was würde wohl noch alles geschehen, bevor es zu Ende ging?
Deutschland — Sommer 2011
Wolfgang
Moser war in Eile. Er sprintete aus seinem Büro, das er sich mit seinem
Kollegen und Freund Max Richter teilte. „Ich bin dann mal weg. Bis nächste
Woche.“
Er musste
sich beeilen. In einer Stunde sollten sie bei seinen Schwiegereltern sein und
seine Frau Brigitte wollte schon längst los. Die Fahrt alleine würde schon eine
Dreiviertelstunde dauern — zum Umziehen war keine Zeit mehr. Im Laufen drückte
er den Schlüsselknopf seines Porsches und hörte das Klacken der Türen. Die
Sonne blendete ihn und erst jetzt viel ihm auf, welch ein schöner Sommertag
herrschte.
Er drängte
sich durch den abendlichen Verkehr und nahm seine Krawatte ab. Sein Handy
meldete sich.
„Ich bin
unterwegs. Warte vor der Tür. In zehn Minuten bin ich da.“ Seine Frau war
wütend. Die Fahrt dauerte eigentlich nur ein paar Minuten, doch der Verkehr in
die Innenstadt zog sich jedes Mal lange hin. Nur langsam kam er auf der Brücke
voran.
Der Inn lag
unter ihm und er sah hoch zur Maria-Hilf-Kirche. Früher waren seine
Frau, sein Sohn Alexander und er oft hoch spaziert und hatten den Blick über
die Dreiflüssestadt genossen. Passau war eine alte, sehr schöne Stadt. Doch oft
dachte er nicht darüber nach. Zu viele Probleme hatte er in letzter Zeit. Nicht
erst in letzter Zeit, eigentlich hatte er sein ganzes Leben lang Probleme
gehabt. Ja, er hatte schon immer viel Geld besessen, doch das Glück hatte ihn
nie wirklich gefunden. Vielleicht war er einfach auch zu undankbar, sah das
Glück vor der eigenen Türe nicht. Vielleicht aber war es auch schlicht nicht
da. Er sah Jugendliche auf der Inn-Wiese sitzen und dachte an seinen Sohn.
Dieser entwickelte sich zu einem Punk, was Wolfgang überhaupt nicht passte. Mit
seinen Freunden verbrachte er die Nachmittage mit Faulenzen und Trinken am Inn,
genauso wie diese Jugendlichen heute. Seine Haare waren mal blau, mal rot oder
pink und er lackierte seine Nägel. Seine Frau hatte damit ebenfalls ihr Probleme,
doch durch ihren Tablettenkonsum bekam sie ohnehin nicht viel von Alexander
mit. Seit Jahren kämpfte sie gegen Depressionen und Angstzustände. Zweimal im
Monat ging sie zum Psychiater, doch nichts half. Wolfgang wusste oft nicht mehr
weiter.
Endlich kam
der Verkehr wieder ins Rollen und es dauerte nicht lange, da bog er in die
Mühltalstraße ein. Sie besaßen ein kleines Häuschen, das Wolfgang über alles
liebte. Von Weitem sah er Brigitte schon vor dem Haus stehen. Ihr säuerlicher
Blick war unübersehbar, doch da musste er jetzt durch.
„Wo bleibst
du? Weißt du, wie spät es ist?“
„Ja, ja.
Steig ein. Wir schaffen es noch.“
„Meine
Schwester ist längst da.“
Wolfgang
verdrehte die Augen. Wie ihn das alles ankotzte. Ihre Schwester Beate war
alleinstehend, hatte keine Kinder und war frustriert, seit er denken konnte.
„Du wirst
sicherlich nichts verpassen.“
Brigitte
sagte nichts darauf, sondern sah aus dem Fenster. Wolfgang sollte es recht
sein, sie zeigte ihm ohnehin nur noch die kalte Schulter. Wann der Bruch in
ihrer Ehe gekommen war, das wusste er nicht mehr genau. Es war ein
schleichender Prozess. Brigitte wünschte sich ein zweites Kind, doch das wollte
nicht klappen und daraufhin fiel sie in eine Depression. Das war bereits vor
zehn Jahren. Als sie sich endlich wieder ein wenig gefangen und einen
Halbtagsjob bei einer kleinen Zeitung ergattert hatte, war plötzlich Alexander
schwer erkrankt. Wolfgang dachte nicht gerne an diese Zeit zurück, denn sie war
überstanden.
„Wie war
dein Tag?“ Wolfgang versuchte die Stimmung etwas zu heben.
„Was denkst
du?“ Wie er das hasste, wenn sie mit Gegenfragen kam.
„Was hast du
gemacht?“
„Interessiert
dich das wirklich?“
„Würde ich
sonst fragen?“ Langsam wurde auch er aggressiv. Alles was er tat oder sagte war
falsch. Also schwieg er wieder und sie blieb ihm die Antwort schuldig.
Wie erwartet
saßen alle bereits am gedeckten Tisch. Brigittes Vater Anton fing sofort ein Gespräch
mit Wolfgang an. Er war sein einziger Schwiegersohn und er mochte ihn sehr.
„Wo ist
Alexander?“, fragte Hildegard, die Mutter von Brigitte.
Wolfgang
hörte nur nebenbei zu, was seine Frau antwortete. Sie verteidigte ihren Sohn,
er müsse lernen. Wolfgang verdrehte die Augen. Er wusste, dass er das nicht
tat. Sicherlich hing er wieder mit seinen Freunden herum. Anton wollte ihm
etwas im Garten zeigen und beide gingen hinaus. Währenddessen unterhielten sich
die Frauen über den neuesten Klatsch in der Verwandtschaft.
Nach drei
endlosen Stunden ging der Abend endlich zu Ende. Wolfgang und Brigitte
verabschiedeten sich und stiegen ins Auto. Es war ein sehr lauer Abend, der
Mond verbreitete ein angenehmes Licht.
„Bist du
noch sauer?", fragte Wolfgang.
„Ich fühle
mich allein, Wolfgang.“ Brigitte starrte immer noch aus dem Fenster.
Er wusste,
dass sie größere Probleme hatte, als er sich eingestand. Sie kam nicht damit
zurecht, dass sie kein zweites Kind mehr bekamen. Er verstand sie einfach
nicht. Sie hatten doch so viel Glück, dass sie Alexander hatten.
„Ich bin
doch immer bei dir, Schatz.“ Doch er wusste, dass sie das nicht tröstete. Es
stimmte auch nicht, denn schon vor Jahren hatte er sich von ihr abgewandt und
sich Hals über Kopf in eine Affäre mit einer 25-jährigen Studentin gestürzt. Er
wusste nicht, wie das geschehen konnte, doch es war so überwältigend, so
überraschend, dass er unfähig war, sich dagegen zu wehren — eigentlich wollte
er das auch gar nicht. Sie machte ein Praktikum bei ihm und sah umwerfend aus.
Sie wusste genau , was ein Mann wollte,
und Wolfgang genoss es jede Sekunde. Er war nur noch selten zu Hause, übersah
die Veränderung seines Sohnes und kümmerte sich nicht mehr um Brigitte. Sie
bemerkte es — natürlich. Es war unübersehbar. Wolfgang war wieder jung, er
fühlte sich gut, sexy und wertvoll. Die traurigen und harten Zeiten seiner Ehe
vergaß er während der zärtlichen Stunden mit Charlotte. Diese allerdings war
nach einem Jahr wieder aus seinem Leben verschwunden. Sie ging nach Berlin,
wollte die große Welt kennenlernen, nicht im kleinen Passau hängen bleiben. Er
konnte sie verstehen. Als er nach diesem Jahr aufwachte, aus einem Zustand der
Trance, bemerkte er, was er übersehen hatte: Sein Sohn war in der Pubertät,
trank Alkohol und war nahe dran von der Schule zu fliegen. Seine Frau nahm
immer mehr Tabletten und heulte sich in den Schlaf. Wie konnte er so blind
sein? Was war geschehen? Er wollte seine Ehe retten und gemeinsam gingen sie zu
einer Ehe- und Familienberatung. Alexander war davon wenig begeistert und blieb
den Sitzungen meist fern — sie konnten ihn schließlich nicht zwingen.
Die Fahrt
nach Hause verlief schweigsam. Als sie die Mühltalstraße hochfuhren, sahen sie,
dass kein Licht im Haus brannte.
„Ist er
immer noch nicht zu Hause?“ Brigitte war sauer.
„Ruf ihn
doch mal auf dem Handy an.“
„Ja, das
werde ich auch tun. Ich weiß nicht mehr, was ich mit dem Jungen machen soll.“
Wolfgang
sagte dazu lieber nichts, es wäre ohnehin falsch gewesen. In Erziehungsfragen
waren sie sich noch nie einig gewesen. Doch Brigitte hatte Recht. Wenn das so
weiterging, würde er noch auf die schiefe Bahn geraten und das wollten sie
beide nicht.
„Nichts, er
geht nicht ran.“
„Der wird
gleich kommen.“
Wütend
schlug Brigitte die Tür des Wagens zu.
Sie warteten
bis zwei Uhr nachts, bevor sie die Freunde von Alexander anriefen. Brigitte
schämte sich zu so später Stunde bei den Eltern anzurufen, also musste es
Wolfgang über sich ergehen lassen. Niemand wusste etwas. Alle anderen
Jugendlichen waren zu Hause.
Um fünf Uhr
morgens verständigten sie dann die Polizei. Passau war ein kleines Nest, im
Gegensatz zu den deutschen Großstädten, und demnach kamen nach dem
aufgebrachten Anruf von Brigitte gleich zwei Polizeibeamte direkt zum Haus der
Mosers. Es wurde nicht wie üblich 24 Stunden gewartet. Auch wenn die beiden
Polizisten davon ausgingen, dass Alexander bald wieder auftauchen würde,
wirkten sie sehr engagiert. Brigitte gab alles weiter, was sie wusste: Welche
Kleidung ihr Sohn trug, wann er das Haus verlassen hatte, mit wem er Kontakt
hatte … Wolfgang wusste nichts von diesen Dingen. Er war heute schon früh aus
dem Haus gegangen und hatte Alexander nicht gesehen. So war es fast jeden Tag.
Als die
Beamten nach einer Stunde wieder gingen, machte sich Brigitte eine Flasche Wein
auf und nahm zwei Pillen. Wolfgang wollte etwas sagen, doch er tat es lieber
nicht. Mehrfach versuchte er seinen Sohn auf dem Handy zu erreichen, doch er
hatte keinen Erfolg.
Gegen Mittag
machte sich dann auch Wolfgang größere Sorgen. Sie durchsuchten gemeinsam sein
Zimmer, das aussah, als wäre der Dritte Weltkrieg ausgebrochen. Außer ein paar
Pornos fanden sie nichts Interessantes. Auf dem Computer waren keine
Gewaltspiele, nichts Verwerfliches. Sie fanden einige Gedichte und Geschichten
in einem kleinen blauen Buch, die sie heute das erste Mal zu Gesicht bekamen.
Wolfgang las die Texte mehrmals und war erstaunt. Niemals hätte er angenommen,
dass Alexander schrieb. Die Texte ähnelten einem Tagebuch und die Gedichte
handelten von Liebe und Schmerz. Hatte Alexander vielleicht eine Freundin
und er wusste es nicht? Nein, schnell verwarf Wolfgang den Gedanken. Sie
hätten sicherlich ein Foto gefunden oder irgendetwas auf seinem PC, doch da war
nichts.
„Schau mal.“
Brigitte sah ihren Mann verzweifelt an und hielt die Spardose nach oben.
„Was?“
„Er hat sein
Geld nicht mitgenommen. Meinst du, er würde fast 300 Euro hier lassen, wenn er
vorhätte abzuhauen?“
Seine Frau
brach in Tränen aus und sank zu Boden.
Wolfgang
setzte sich neben sie und legte ihr die Arme um die Schultern. Das erste Mal
seit Jahren berührte er seine Frau auf zärtliche Art.
„Er wird
schon wieder auftauchen. Vielleicht hat er einfach die Nacht durchgefeiert und
kommt gleich mit einem Kater nach Hause.
„Ohne seine
Freunde? Das glaubst du doch selbst nicht.“
Ihr Ton
gefiel Wolfgang nicht. Sie gab ihm die Schuld, das merkte er schnell. Aber
wieso? Sie waren beide beim Abendessen gewesen und er war schon öfters abends
weggeblieben. Aber das war Brigittes Art. Sie gab für alles, was schief lief,
Wolfgang die Schuld.
Im Laufe des
Tages hatten sie alle seine Freunde angerufen, die Schule, Verwandte und
Bekannte — niemand wusste etwas von ihm. Sein bester Freund Pierre, der ebenfalls
in der Punk-Clique war, hatte ihn zuletzt um acht Uhr im Uferlos
gesehen. Sie hatten nur eine Cola getrunken und wollten dann beide nach Hause.
Wolfgang konnte es nicht glauben, dass sich sein Sohn in einer Kneipe rumtrieb.
Er war noch nie betrunken nach Hause gekommen. Vielleicht trank er mal ein oder
zwei Bier, aber ansonsten wäre Wolfgang nie etwas aufgefallen, was nicht normal
war. Bis auf die Tatsache, dass er sich wie ein Punk verhielt.
Das Telefon
riss beide aus ihren Gedanken. Es war Brigittes Mutter, die wissen wollte, ob
es etwas Neues gab. Brigitte deutete Wolfgang an, dass sie nicht mit ihr reden
wollte.
„Nein, es
gibt bisher nichts Neues. Wir melden uns, sobald wir was erfahren.“ Dann legte
Wolfgang auf.
Die Stunden
vergingen und nichts passierte. Am Abend kamen erneut zwei Polizeibeamte und
ein älterer Beamter von der Kripo. Da Alexander erst vierzehn war, wurde ein
Sondereinsatzkommando ins Leben gerufen. Nun bekam auch Wolfgang Panik. Seine
Frau hatte bereits am Nachmittag ein Beruhigungsmittel bekommen und schlief
tief und fest. Wolfgang schwitzte fürchterlich und konnte einfach nicht
glauben, dass Alexander nicht aufgetaucht war.
Nach
vierundzwanzig Stunden wurden die Medien eingeschaltet und in einer kleinen
Stadt wie Passau war es das Gesprächsthema Nummer eins. Wolfgang nahm sich
Urlaub und blieb zu Hause. Täglich kamen Freunde von Alexander vorbei, die er
noch nie zuvor gesehen hatte. Er fühlte sich schlecht, da er so wenig von
seinem Sohn wusste. Unbekannte Menschen gingen ein und aus und er wusste bald
nicht mehr, wo ihm der Kopf stand.
Schlimmer
wurde es allerdings, als der Rummel nachließ. Als sich immer weniger Freunde
meldeten, als die Suche schließlich fast eingestellt wurde. Das Gefühl, nicht
zu wissen wo das eigene Kind ist, zerfrisst einen. Brigitte lag wochenlang im
Bett, es war ihr unmöglich aufzustehen. Wolfgang blieb nichts anderes übrig,
als ihre Mutter zu bitten ihm zu helfen. Als Alexander vier Wochen vermisst
wurde, zog also seine Schwiegermutter bei ihnen ein. Er versucht wieder zu
arbeiten, doch es funktionierte nicht und er wurde beurlaubt.
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