Montag, 18. Dezember 2017

Neue Leseprobe zu "Mord im Eis"


 Leseprobe zu "Mord im Eis"!




Gustav

Gustav sieht, wie die Polizisten alles absperren, wegen Finn. Er schüttelt immer wieder den Kopf, kann nicht glauben, dass seiner Familie das passiert. Gustav ist sich sicher, dass Finn sich nicht verlaufen hat, denn der Junge ist artig, hört auf ihn, weiß, wie gefährlich es nachts allein in der Natur, in den Wäldern ist.
Was Gustav allerdings nicht sieht, ist die Familie, die gerade schimpfend in ihr Auto steigt. Er hört nicht, was der Junge zu seinem Vater sagt. Er sieht nicht, wie verschwitzt der ihm fremde Junge ist, welche Panik in seinen Augen steht.
„Aber Papa, ich muss dir etwas sagen“, stottert der Junge, der ein blaues Auge trägt, das er seinem betrunkenen Vater zu verdanken hat.
Er wollte es ihm sagen, doch niemand hörte ihm zu, wie immer.
„Steig ein. Wo hast du so lange gesteckt, verdammt?“, flüstert der Vater, der nach Whisky stinkt, dem Jungen ins Ohr und packt ihn beim Genick.“
„Aber Papa, bitte. Ich ...“, aber der Vater lässt ihn nicht ausreden. Er schubst den Jungen in den Wagen, in dem bereits die verängstige Schwester und die Mutter warten. Dann lässt der Mann den Motor an und entkommt gerade noch der Absperrung, die die Polizisten nun errichten. Der Junge sieht vom Rücksitz aus durch die vereiste Glasscheibe, hinauf in die Wälder. Eine Träne rinnt ihm über das Gesicht, dann flüstert er zu sich selber:

„Es tut mir leid, Finn.“

Gustav, der von diesem Gespräch nichts mitbekommen hat, macht sich auf den Weg in den Wald, der direkt an den See grenzt. Er begleitet die Einsatzkräfte, in der Hoffnung, Finn zu finden. Er muss ihn finden, es kann nicht anders kommen. Es darf nicht so kommen wie damals vor genau sieben Jahren, als er alles verloren hatte, was ihm geblieben war. Und dann kam Finn, der Rettungsanker, denn nach allem, was ihm im Leben schon widerfahren war, fühlte sich Finn wie ein Engel an. Ein Engel, der ihn rettete.
Er wusste immer, dass dies ein schwarzer Tag war, doch er hätte nicht im Traum daran gedacht, erneut diesen Schmerz zu empfinden, und sogar noch schlimmer. Es gab also eine Steigerung der Angst, der Panik, denn er fühlte sie. Er würde es kein drittes Mal überstehen. Er hört nichts mehr. Nicht mehr die Geräusche des Waldes, nicht mehr die Stimmen der Einsatzkräfte und freiwilligen Helfer. Er ist wieder in der Vergangenheit an diesem gottverdammten Tag vor sieben Jahren.

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