Donnerstag, 22. September 2016

Leseprobe zu "Und morgen bist du wieder MEIN" - Niederbayern Krimi







Es war kurz nach Mitternacht, als Horst Braun mit seiner neuesten Eroberung nach Hause kam. Sie war blond, klein, weiblich, genau so, wie er es mochte. Er schenkte ihr ein Glas Wein ein. Sie war schon ein wenig beschwipst, doch ein Glas mehr konnte nicht schaden. Anscheinend benötigte sie aber keins mehr. Denn sie kam auf ihn zu und küsste ihn. Ihre Hand legte sich um seinen Nacken, sie zog ihn dicht an sich. Er spürte ein leichtes Verlangen. Sie küsste fordernd. Es war eindeutig, dass sie ihn wollte. Er packte sie und sie legte ein Bein um seine Hüfte, dabei drückte er sie an die Wand. Sie zog sein Hemd aus, wurde immer wilder. Er ließ sich auf die Couch fallen. Sie kniete sich vor ihn und öffnete seine Hose. Horst genoss die Nacht mit der Unbekannten. Wie so viele Nächte zuvor ließ er sich treiben. Er trank zu viel, konnte sich immer weniger auf seine Arbeit als Kriminalhauptkommissar konzentrieren. In seinem Gebiet war zwar meist nicht viel los, doch selbst Kleinigkeiten brachten ihn auf die Palme. Er wurde oft ungehalten. Legte sich mit seinen Mitarbeitern an. Und wurde dabei immer unbeliebter. Doch es war ihm egal. Er lebte nur noch für die Nächte in den Bars und Kneipen. Er litt schon seit vielen Jahren an Schlaflosigkeit. Fühlte sich am Morgen immer gerädert und frustriert. Jede noch so tolle Frau war dann vergessen.

Mitten in der Nacht läutete sein Handy. Verwirrt sah er auf das Display. Es war die Dienststelle. Er hatte schon über ein Jahr keinen nächtlichen Anruf mehr erhalten. Er sah nach links neben sich. Die Unbekannte lag schlafend neben ihm. Sie schien nichts zu hören. Er zögerte, wollte nicht dran gehen. Doch das konnte er sich nicht leisten. Sein Chef hatte ein Auge auf ihn und das ging Horst gewaltig auf die Nerven. Leise ging er ans Handy.
„Braun hier, was gibt’s?“
„Herr Braun, hier spricht Angela Kammer. Ich soll Ihnen unverzüglich Bescheid geben, dass Sie sofort in die Höllgasse kommen sollen. Es geht um einen Mord.“
„Wie bitte? Scheiße, verdammt nochmal.“ Fluchend legte er auf.
Eine Leiche. Was wird das wohl wieder sein? Immer noch ein wenig angetrunken kroch Horst aus dem Bett. Er fröstelte, als seine nackten Füße den Boden berührten. Es war eiskalt in dieser Bude. Schnell schlüpfte er in seine alten Sachen vom Vortag. Während er seine Socken suchte, dachte er über den letzten Mord in seinem Gebiet nach. Damals war ein Ehestreit eskaliert. Der Mann erstach seine Frau mit einem Küchenmesser. Er gestand unter Tränen und der Fall war abgehakt. Was mochte es wohl diesmal sein? In weniger als zehn Minuten stand er auf der Straße. Er beschloss, zu Fuß zu gehen. Von der Innstadt, in der sich seine Wohnung befand, waren es nur wenige Minuten in die Altstadt von Passau – dort lag die Höllgasse. Die Luft roch gut. Es war eine angenehme Julinacht. Strammen Schrittes ging er über die Innbrücke, hörte einige Jugendliche am Innufer feiern und steuerte die Domstufen an. Nach wenigen Minuten stand er auf dem Domplatz. Jetzt hörte er Polizeisirenen. Er beschleunigte seine Schritte und wurde kurz vor der Höllgasse von einem Streifenpolizisten abgefangen. Die komplette Gasse war abgesperrt und von Schaulustigen umgeben. Die Leute streckten die Köpfe aus den Fenstern, in der Hoffnung, etwas von dem Elend zu sehen, das Horst gleich erwartete.
„Wir haben zwei Leichen. Ein Mann und eine Frau. Sehr jung.“
Horst stieg unter der Absperrung hindurch. Er sah seinen Kollegen Peter Thoma von der Spurensicherung. Er nickte ihm kurz zu. Und dann sah er sie plötzlich vor sich: Ein Liebespaar. Eng umschlungen, nackt, blutverschmiert. Horst konnte den Blick nicht von dem abartigen Schauspiel vor sich abwenden. So etwas hatte er noch nie gesehen. Das Paar sah aus, als wäre es während des Liebesspiels ermordet worden. Er ging um die Leichen herum. Es war eindeutig, was die Pose des Paares darstellen sollte. Dann sah er Becky, seine Kollegin.
„Becky, seit wann bist du hier?“
„Ich bin auch erst vor ein paar Minuten gekommen, grauenvoll. Sieh dir das an.“ Horst nickte.
„Was haben wir bisher?“
„Wenig, die beiden Opfer sind nackt, keine Ausweisdokumente. Wir gehen davon aus, dass es sich um die beiden seit drei Monaten vermissten Studenten handelt. Erinnerst du dich daran?“
„Ja, klar. Könnte passen. Wer hat die Toten gefunden?“
„Ein Rentner, der hier wohnt. Er wollte nochmal mit dem Hund raus, das war vor etwa 45 Minuten. Er sitzt dort drüben, steht komplett neben sich.
„Ja, verständlich bei diesem Anblick.“
Horst und Becky verfolgten das Treiben der Spurensicherung und sahen sich dabei die Leichen genauer an. Die Hände des jungen Mannes umschlangen das Mädchen, das unter ihm lag. Die Beine der jungen Frau waren weit gespreizt und umklammerten den Körper des Mannes. Überall war Blut, doch man konnte keine Wunden an den Opfern sehen.
„Wo kommt das ganze Blut her? Ich sehe keine Wunden.“ Horst wandte sich wieder an Thoma, der die Leitung der Spurensicherung innehielt.
„Das Blut stammt nicht von den Leichen. Sie wurden damit überschüttet. Die junge Frau trägt Würgespuren am Hals. Könnte die mögliche Todesursache sein. Aber sicher kann ich das erst im Labor sagen.“
Horst und Becky nickten. Horst wurde nervös. Nicht umsonst hatte er sich vor fast zwanzig Jahren von Berlin nach Passau versetzen lassen. Er liebte die idyllische Kleinstadt über alles. Hier war es ruhig, er hatte genügend Freizeit und konnte sein Leben genießen. Das wäre in Berlin undenkbar gewesen. Und jetzt so etwas. Verdammter Mist.
„Becky, das wird ein Medienzirkus werden.“
„Ich weiß, Horst, ich weiß.“

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